Die Fischer in der Geschichte von Cervia
Die Fischer von einst
„Ich bin kein Landarbeiter, sondern Fischer, und verbringe mein Leben auf dem Meer
Bevor ich Dich begegnete, wusste ich nicht was Liebe sei
Doch jetzt, nachdem ich Dich gesehen habe, mache ich mich sofort zum Landarbeiter,
so werde ich froh sein, Dich jederzeit zu besuchen.
Dich will ich auf mein Segel malen und auf hohe See will ich Dich führen
Und die Leute werden sagen „Was für ein Segel ist das?“ Die Liebe zu einer Frau ließ mich es machen
Liebe zu einer Frau, Liebe zu einem Mädel, ich werde nur sie lieben.“
So sangen und sagten die Seemänner von Cervia im 19. Jahrhundert es auf. Sie stammten aus verschiedenen Orten, wie zum Beispiel Chioggia, Goro, Comacchio, doch eines hatten sie alle gemeinsam: das Meer.
Sie wohnten im Viertel Borgo Marina, zusammen mit den hier gebürtigen Familien; dort machten beide Zünfte ihre Boote fest: Rechts konnte man diejenigen der Fischer und links diejenigen für den Salztransport sehen. Ein einziger Kanalhafen verband das Meer mit der Altstadt Cervia Vecchia und diente gleichzeitig als Zuflusskanal der Saline.
Heute sind nur noch wenige Fischer im kleinen Viertel anwesend, aber früher waren sie Teil einer großen Gemeinschaft mit ihren Vereinen und kleinen Kneipen, wie „La lepre“ (der Hase), „Il fiore“ (die Blume) und „La pantofla“ (die Pantoffel). Ein vereintes Volk, das am Anfang des 20. Jahrhunderts Ehen ausschließlich im Rahmen ihrer eigenen Familien schloss.
Sie gehörten zu den ärmsten Kreisen der Stadtbevölkerung und das Seeleben wurde bereits in der Kindheit erlernt, dem Beginn des Lebens als Fischer. Das war sicherlich kein einfaches Leben.
Neben der Tatsache, dass sie stets bei dem Bootsherrn, sogenannten „Padròn“, verschuldet waren, hatten die Fischer nicht einmal beim Fischverkauf Vorteile, denn er wurde fast immer wegen des stummen Auktionsverfahrens gegen ihre Interessen durchgeführt; dieses bestand darin, dass die Fischverkäufer ihr Angebot ins Ohr des Marktchefs flüsterten, der aber oft das beste Angebot vergaß.
Diejenigen, die davon träumten, Seemänner zu werden, mussten zunächst fünf Abschnitte absolvieren, die jeweils ein Jahr dauerten; die Bezeichnungen auf romagnolischer Mundart heißen: „Muré semplice“ einfacher Seemann, ohne Entgelt; „Muré d’la quartarola“, Seemann für ein Viertel des Lohnes; „Muré d’la quartarola e mèz“, Seemann für einen vierten Teil und ein halb des Lohnes; „Zuvnòt“, Seemann für eine Hälfte des Lohnes und am Ende „Zòvan“ für drei Viertel des Lohnes.
Die Fischer, ebenfalls „magna pes“ – also „Fischesser“ – von den Stadteinwohnern genannt, besaßen kein Geld, sondern praktische Kenntnisse und Solidarität zwischen Menschen und Natur, die von den Bevölkerungen auf dem Lande nicht verstanden wurden. Für das eigene Überleben sowie für das Überleben von anderen Menschen mussten die Fischer das Wetter, die Transparenz und die Helligkeit des Himmels, das Gewicht und den Geruch des Windes deuten können.
Alle Sterne gehen ihren Weg
Der Nordstern verschwindet nie
würde der Nordstern jemals verschwinden,
Weh für die armen Seemänner auf großer Fahrt!
„Die Sterne waren das Alphabet der Seemänner; die Segel und die Winde trugen ihre Gefühle”
Die Seetradition heute
Mit Liedern, Veranstaltungen und geführten Touren wird die Kultur der Fischerei und des Meeres in Cervia weiter erzählt und erlebt; daher wird sie nie untergehen.
Der Verein der Fischer und die „Trapozal“
Von Generation zu Generation war die Fischerei stets Teil des Lebens der Einwohner Cervias. Viele Fischer tragen dazu bei, die mit dem Meer verbundene Geschichte fortzusetzen. Ihr Treffpunkt liegt hauptsächlich im Verein der Fischer, im ehemaligen Fisch-Großmarkt. Hier, mittels der Musik, besingt der Chor der „Singenden und Musikanten“, namens „Trapozal dla Pantofla“, die Tradition von Cervia und der Romagna.
Der Ursprung ihrer Namen hängt ebenfalls eng mit dem Meer zusammen: „Trapozal“ ist tatsächlich der Name auf romagnolischer Mundart der von den Wellen glatt geschliffenen Holzstücke, die infolge der Stürme an die Küste stranden.
Die historischen Segel und das Viertel
Jedes Boot hatte ein unterschiedliches Segel, das die jeweilige Familie darstellte. Aufgrund dieses Unterschiedes machten die Familienangehörigen ihr Boot während seiner Rückkehr in den Hafen aus. Heute sind die historischen Segel im Kanalhafen zu bewundern. Im Viertel Borgo Marina sind sowohl in den Originalfarben bemalte Nachbildungen der Segel als auch eine Reihe von Fliesen ausgestellt, die unterhalb der Segelabbildung den Familiennamen tragen.
Das Viertel Borgo Marina ist einer jener Orte in der Stadt, in denen die Seetradition noch zu verspüren ist. Es ist von Restaurants gesäumt, in denen ausgezeichneter, frischgefangener Fisch aufgetischt wird. Zahlreiche Veranstaltungen beleben den Kanalhafen. Zu den wichtigsten zählt Borgomarina vetrina di Romagna, kleiner Markt mit Ständen mit einem breiten Küchen- und Handwerksangebot für einen Spaziergang durch die örtliche Geschmacksvielfalt und Tradition.
Die Meeresvermählung
Die Meeresvermählung geht auf das Jahr 1445 zurück und ist eine der ältesten, in Cervia gefeierten Festveranstaltungen. Der Legende nach entsteht sein Ursprung aus einem Ereignis, bei dem der Bischof von Cervia, Pietro Barboi, die Hauptrolle spielt. Man erzählt, dass ein Sturm sein Boot auf der Rückreise aus Venedig überraschte; daraufhin warf er seinen Bischofsring als Pfand ins Wasser, um das Meer zu beruhigen, und rettete somit die ganze Mannschaft.
Seitdem wiederholt sich die Zeremonie alljährlich: Der Bischof wirft den Vermählungsring ins Meer; wird er wieder aufgefunden und an die Oberfläche gebracht, ist das ein gutes Zeichen für Glück und Wohlstand. Im Jahr 1986 wurde der Ritus von Papst Johannes Paul II zelebriert, dem der Kanalhafen von Cervia gewidmet ist.
"I Pescatori di una volta", Quelle: "Cervia. Luoghi e memorie di una città"