Das Burchiella von Cervia
Die Saline in Cervia dehnt sich auf einer 827 ha großen Fläche aus und liegt etwa 1600 m vom Meer entfernt. Seit Urzeit wird hier das sogenannte „weiße Gold“ hergestellt: das süße Salz von Cervia.
Nachdem es seit der Römerzeit und dem Mittelalter zum Reichtum des Gebiets geworden war, musste man das Salz nach der Herstellung „von den auf den 200-150 Salzfeldern zerstreuten Salzbergen ins Innere von großen Lagern einbringen“, und dafür brauchte man ein besonderes Boot: das Burchiella.
Die Eigenschaften des Burchiella-Bootes
Das für Cervia typische Burchiella war ein flaches, für die Fahrt durch flache Lagunengebiete geeignetes Boot. Dank dieser Besonderheit konnte es, anders als größere Bootsarten, unmittelbar an den Flussufern sowie in den Häfen, zur Entladung der Waren, anlegen.
Es bestand aus einer Plattform (Paradura), einem inneren Garnier (Paiul), einem senkrechten Holzbrett zur Trennung der Lade- und Steuerflächen (Tulìr), einem Ruder (Rèm), einem Seil und zwei Bugen. Diese dienten dazu, die Fahrtrichtung jederzeit zu ändern, denn ein Drehen wäre in den 45 km langen Kanälen in den Salzfeldern unmöglich gewesen. Auf dieser Strecke konnten nur an wenigen Punkten zwei Boote gleichzeitig an einander vorbei fahren.
Es wurde hauptsächlich für den Transport von der Salzernte von den Becken bis zu den Lagern benutzt; außerhalb der Saison der Ernte wurden die Burchielle-Boote auch für die Beförderung von Sand, Steinen und anderen Waren über die Flusswege eingesetzt.
Sie waren 12,20 m lang, 2 m breit und 1,12 m hoch und legten im Durchschnitt zwischen zwei und fünf Kilometern lange Strecken zurück. Um sie zu ziehen, kamen jeweils zwei Salzarbeiter zum Einsatz, die dafür durch das Los bestimmt wurden. Der Eine hing sich quer ein dickes Seil mit einem langen Bleiring am Ende um und zog damit das Boot, indem er am Kanaldamm lief, der andere steuerte die Richtung mithilfe eines langen Ruders.
Ursprünglich waren die Besitzer der Boote, sog. Burchiaroli, zahlreich, doch es war nicht immer so. Am Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten die Boote einer einzigen Person. Die Königsfamilie Savoyen änderte diesen Zustand, indem sie den Besitzer zwangen, die Boote für eine lächerliche Geldsumme zu verkaufen.
Übergang vom Holz- zum Eisenbau
Ursprünglich wurden die Burchielle aus Holz gebaut, aber nach einem gescheiterten Versuch mit Beton, wurden sie aus Eisen realisiert: „bis einschließlich zum Jahr 1927 blieben die Burchielle aus Holz im Einsatz, die von einem quer gestellten Eisenstück verstärkt waren, um die Krümmung der Flanken zu vermeiden. Im Nachhinein wurden jene aus Eisen, etwa Achtzig, eingeführt; diese hatten einen bei weitem regelmäßigeren und einheitlicheren Schnitt, der dank eines eigens dafür entworfenen Garniers die genaue Bestimmung des Nutzlastvolumens zuließ“. (Auszug aus dem italienischen Text „Le Saline di Cervia“, von Gino Pilandri, 1989)
Die Burchielle aus Holz konnten bis zu 80 Doppelzentnern Salz transportieren, während diejenigen aus Metall sogar bis zu 100 Doppelzentnern.
Die Salzernte
Die Burchielle-Boote spielten eine wesentliche Rolle im Salzverarbeitungsprozess. Der lange Stau von Booten während des Einbringens des Salzes zog eine große Menge Menschen an. Sie kamen sowohl aus Cervia als auch aus der Umgebung, um der Armèsa de sel, dem Einbringen, beizuwohnen, denn dieser feierliche Moment galt als Abschluss der Salzsaison.
Heute wird während der Nachspielveranstaltung der Armèsa ein nach einem Originalmodell aus dem Jahr 1925 getreu nachgebildetes Burchiella benutzt.
Die Burchielle wurden bis zum Jahr 1959 benutzt, als der Übergang von einem mehrfachen Erntesystem zu einem einzigen Erntesystem stattfand. Die 144 Salinenfelder wurden in ein einziges großes Feld zusammengelegt. Am Ende des Sommers wurde das Salz nun auf einmal aus den Salzbecken mithilfe modernerer Geräte geerntet.
Vor einigen Jahren wurde ein Burchiella-Boot im Ort Governolo bei Matova erworben und im Museo del Sale (Musa) in Cervia ausgestellt.